Die nicht rechtzeitige Wiederwahl des Verwaltungsrats führt zu einem sogenannten Organisationsmangel: Keine stillschweigende Verlängerung der Amtsdauer des Verwaltungsrats
Ein funktionierender Verwaltungsrat ist für die Führung und Aufsicht einer Aktiengesellschaft unerlässlich. Eine ordnungsgemässe Wahl und Wiederwahl der Mitglieder ist daher nicht nur eine gesetzliche Vorgabe, sondern auch eine organisatorische Notwendigkeit. Doch was passiert, wenn die Wiederwahl eines Verwaltungsratsmitglieds nicht rechtzeitig erfolgt? In einem solchen Fall spricht man von einem Organisationsmangel, und es gibt keine stillschweigende Verlängerung der Amtsdauer des Verwaltungsrats. Dieser Artikel erläutert die rechtlichen Hintergründe und Konsequenzen.
Die rechtliche Grundlage
Gemäss dem Schweizer Obligationenrecht (OR) werden die Mitglieder des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft in der Regel auf eine bestimmte Amtsdauer gewählt. Die Amtsdauer darf gemäss Art. 710 OR maximal drei Jahre betragen, wobei eine Wiederwahl möglich ist. Die Wahl und Wiederwahl der Verwaltungsratsmitglieder muss durch die Generalversammlung erfolgen.
Wenn jedoch die Wiederwahl eines Verwaltungsratsmitglieds nicht rechtzeitig durchgeführt wird, endet dessen Amtszeit automatisch. Es gibt keine stillschweigende Verlängerung der Amtsdauer. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsratsmitglied nach Ablauf der Amtszeit keine rechtliche Grundlage mehr hat, weiterhin als Mitglied des Verwaltungsrats zu agieren.
Konsequenzen eines Organisationsmangels
Die nicht rechtzeitige Wahl oder Wiederwahl des Verwaltungsrats kann zu einem sogenannten Organisationsmangel führen. Ein solcher Mangel tritt auf, wenn eine Aktiengesellschaft nicht mehr in der Lage ist, ihre gesetzlich vorgeschriebene Organisation ordnungsgemäss zu erfüllen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Verwaltungsrat unvollständig oder handlungsunfähig ist, weil kein Verwaltungsratsmitglied rechtmässig mehr bestellt ist.
Was bedeutet dies konkret?
- Handlungsunfähigkeit des Verwaltungsrats: Ohne rechtmässig gewählten Verwaltungsrat ist die Gesellschaft nicht in der Lage, ordnungsgemäss geführt zu werden. Entscheidungen und Beschlüsse, die der Verwaltungsrat fassen müsste, können nicht getroffen werden. Dies kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und die Rechtssicherheit des Unternehmens haben.
- Eingreifen des Handelsregisteramts: Wird ein Organisationsmangel festgestellt, kann das Handelsregisteramt eingreifen. Es hat das Recht, der Gesellschaft eine Frist zur Behebung des Mangels zu setzen. Sollte dieser Mangel nicht innerhalb der gesetzten Frist behoben werden, kann das Gericht auf Antrag des Handelsregisteramts oder eines betroffenen Aktionärs oder Gläubigers einen Sachwalter einsetzen, der die fehlenden Verwaltungsratsfunktionen vorübergehend übernimmt.
- Verantwortlichkeit und Haftung: Verwaltungsratsmitglieder, die nach Ablauf ihrer Amtszeit ohne Wiederwahl weiterhin handeln, riskieren rechtliche Konsequenzen. Da sie keine gültige Amtsgrundlage mehr haben, könnten sie für ihre Handlungen haftbar gemacht werden.
Keine stillschweigende Verlängerung der Amtsdauer
Ein häufiger Irrtum ist die Annahme, dass die Amtszeit eines Verwaltungsratsmitglieds stillschweigend verlängert wird, wenn die Wiederwahl nicht rechtzeitig erfolgt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Gesetz sieht keine automatische Verlängerung der Amtsdauer vor. Wenn die Amtszeit abläuft, ist sie beendet, und das betreffende Verwaltungsratsmitglied hat keine Befugnis mehr, die Aufgaben eines Verwaltungsrats wahrzunehmen.
Wie kann ein Organisationsmangel vermieden werden?
Unternehmen müssen sicherstellen, dass die Wiederwahl von Verwaltungsratsmitgliedern rechtzeitig und ordnungsgemäss durchgeführt wird. Um dies zu gewährleisten, sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Frühzeitige Planung der Generalversammlung: Die Generalversammlung, in der die Wiederwahl der Verwaltungsratsmitglieder beschlossen wird, sollte rechtzeitig geplant und durchgeführt werden, um eine rechtzeitige Wahl zu gewährleisten.
- Fristgerechte Kommunikation: Aktionäre und Verwaltungsratsmitglieder sollten frühzeitig über anstehende Wahlen informiert werden, um Verzögerungen zu vermeiden.
- Überprüfung der Amtsdauer: Die Amtsdauer der Verwaltungsratsmitglieder sollte regelmässig überprüft werden, um sicherzustellen, dass keine Fristen verpasst werden.
Fazit
Die rechtzeitige Wiederwahl von Verwaltungsratsmitgliedern ist für eine Aktiengesellschaft von entscheidender Bedeutung. Wenn die Wiederwahl nicht rechtzeitig erfolgt, führt dies zu einem Organisationsmangel, und es gibt keine stillschweigende Verlängerung der Amtsdauer. Ein solcher Mangel kann weitreichende Konsequenzen haben, bis hin zur Handlungsunfähigkeit des Verwaltungsrats und rechtlichen Eingriffen. Unternehmen sollten daher grosse Sorgfalt walten lassen, um sicherzustellen, dass der Verwaltungsrat stets rechtmässig besetzt und handlungsfähig bleibt. Um Risiken zu vermeiden und rechtliche Fallstricke zu umgehen, kann es sinnvoll sein, sich von einem Experten begleiten zu lassen.